Auf Wiedersehen Virginia
Drei Jahrzehnte war Virginia Stoll eine verlässliche Stimme, eine engagierte Kämpferin und eine aufmerksame Zuhörerin für die Schaffhauser Bauernfamilien. Nun gibt sie per Ende Dezember die Geschäftsführung ab – mit einem Rucksack voller Erinnerungen, Überzeugung und gelebter Nähe zur Landwirtschaft.
Nach 30 Jahren im Dienst der Schaffhauser Landwirtschaft schlägt Virginia Stoll ein neues Kapitel auf. Während fast 20 Jahren leitete sie die Agrisano-Geschäftsstelle, danach war sie zehn Jahre lang Geschäftsführerin des Schaffhauser Bauernverbands. Mit Fachkompetenz, grossem Engagement und einem offenen Ohr für «ihre Bauernfamilien» prägte sie die Verbandsarbeit entscheidend mit. Mit Herzblut und Überzeugung setzte sie sich stets für die Anliegen der Bauern und Bäuerinnen ein. Im Abschiedsinterview blickt sie auf prägende Jahre zurück.
Wie hat Ihre berufliche Reise in die Landwirtschaft begonnen – und welche Schritte haben Sie schliesslich zu Ihrer langjährigen Tätigkeit für die Schaffhauser Landwirtschaft geführt?
Virginia Stoll: Im Sommer 1995 hat der Schaffhauser Bauernverband die Leitung der Agrisano Geschäftsstelle ausgeschrieben. Dies beinhaltete in erster Linie den Aufbau der bäuerlichen Versicherungsberatung im Kanton Schaffhausen. Die Bauernfamilien kamen somit in den Genuss vor Ort einen Ansprechpartner zu haben, der alle Versicherungen auf die Notwendigkeit überprüfte und dafür besorgt war, dass alle Risiken, wie Krankheit, Unfall, Erwerbsausfall und Altersvorsorge entsprechend gedeckt waren. Meine Bewerbung bekam den Zuschlag und so startete ich am 1. November 1995 mit einem Teilzeitpensum. Die Beratungsarbeit und der intensive Kontakt zu den Bauernfamilien hat mich schlicht und einfach erfüllt, es war «en bodeständige Job».
Sie stammen ja nicht ursprünglich aus dem Kanton Schaffhausen. Sind Sie als Bauerntochter aufgewachsen, oder hat erst die Heirat mit Ihrem Mann Walter Ihre Verbindung zur Landwirtschaft geprägt?
Stoll: Diessenhofen liegt ja eigentlich zwischen dem Kanton Schaffhausen, da ist einem das Schaffhauserland nicht fremd und als Kind deren Grosseltern einen Lebensmittelladen hatten, hat man das regionale Gedankengut quasi in der DNA. Die intensive Verbindung zur Landwirtschaft ist dann aber der Liebe wegen entstanden.
Wenn Sie auf Ihre 30 Jahre im Dienst der Schaffhauser Landwirtschaft zurückblicken: Welche Bilder oder Momente tauchen als erstes vor Ihrem inneren Auge auf?
Stoll: Aus den Puure-Babys, für die ich vor 30 Jahren die Krankenversicherung für die ich vor 30 Jahren die Krankenversicherung abschliessen durfte, sind tolle, bodenständige Persönlichkeiten geworden. Alle haben ihren Weg gemacht, ob als Lebensmittelproduzent/in oder in einer anderen Sparte. Ohne überheblich zu sein halte ich fest, «Puurechind» sind etwas Besonderes. Sie sind von klein auf bei allen Arbeiten dabei, lernen Verantwortung zu übernehmen, praktisches Denken und Einsatzbereitschaft.
Sie haben fast zwei Jahrzehnte bei Agrisano gearbeitet, bevor Sie die Geschäftsführung übernommen haben. Was hat Sie damals motiviert, diesen Schritt zu machen?
Stoll: Nach 20 Jahren Agrisano und einer bestens positionierten Geschäftsstelle, habe ich eine neue Herausforderung gebraucht. Die Sorgen und Nöte der Landwirtschaft waren mir ja bestens bekannt und daher war es mir ein Bedürfnis mich weiterhin für die wichtigste Berufsgattung auf Erden einzusetzen.
Was war Ihnen als Geschäftsführerin besonders wichtig, wenn Sie an die Zusammenarbeit mit Landwirtinnen, Landwirten und den verschiedenen Partnerorganisationen denken?
Stoll: Der stetige Austausch auf Augenhöhe, Wertschätzung und Verständnis. Jede und jeder setzt sich für seine Branche ein und vertritt den entsprechenden Standpunkte. Zusammenarbeiten ist immer möglich, wenn beide Seiten einen sachlichen Austausch zulassen.
In Ihrer Tätigkeit haben Sie viele Veränderungen in der Landwirtschaft miterlebt. Welche Entwicklungen haben Sie besonders beschäftigt?
Stoll: In meinen Kolumnen habe ich öfters vom «Blick vom Hallauer Berg übers Chläggi» geschrieben. Vom Frühsommer bis in den Herbst, öffnet sich dem Betrachter die enorme Bewirtschaftungsvielfalt, die unsere Bauernfamilien betreiben. Hier hat in den letzten 30 Jahren ein enormer Wandel stattgefunden. Allen Unkenrufen der «Gsundbeter-Besserwisser» zum Trotz, die Lebensmittelproduktion wird in unseren Breitengraden eindeutig im Einklang mit der Natur betrieben.
Gab es Momente in Ihrer Laufbahn, die Sie als Wendepunkte bezeichnen würden – positive wie herausfordernde?
Stoll: Eine eher traurige Entwicklung in den letzten 10 Jahren, ist die Flut von schädlichschlimmen Initiativen gegen die Schweizer Lebensmittelproduktion. Nirgends auf der Welt werden derart hohe Vorschriften angewendet und wird nach so hohen Standards produziert; bessere Lebensmittel gibt es nicht. Die unsäglichen Initiativen sind ein Spiel mit dem Feuer, die unseren Selbstversorgungsgrad stetig senken und die Abhängigkeit vom Ausland steigern. Die Weltlage ist derart fragil, dass die Steigerung des Selbstversorgungsgrads angezeigt ist.
Welche Begegnungen oder Menschen haben Sie auf Ihrem Weg besonders beeindruckt oder begleitet? Stoll: Viele, da gab es die Bäuerin, die ihren Partner viel zu früh zu Grabe tragen und die ganze Verantwortung für die schulpflichtigen Kinder und den Hof alleine tragen musste. Bernhard Seiler, Hans Neukomm (Bauer John), Herbert Neukomm und Christoph Graf haben mich mit ihrer respektvollen Umgangsart und ihrem sachlich-beharrlichen Engagement für die Landwirtschaft sehr beeindruckt.
Was hat Ihnen im Arbeitsalltag Kraft gegeben – gerade in turbulenten Zeiten?
Stoll: Das Leben und die Arbeit auf dem Bauernhof. Das Zwiegespräch mit den Hühnern, die mir täglich Eier schenken, der Gwaggel übers Feld, die Familie und nicht zuletzt «mein» Bauer, der all meine Flausen und Temperamentausbrüche seit 42 Jahren mitträgt. Sehr zu empfehlen ist auch mal über sich selbst zu Lachen und eine täglich Portion Humor.
Wie fühlt es sich für Sie an, nach so vielen Jahren eine neue Lebensphase zu beginnen?
Stoll: Wunderbar und vorallem sehr dankbar für die äusserst bereichernden 30 Jahre mit «meinen» Schaffhauser Bauern.
Welche Wünsche oder Ratschläge geben Sie Ihrer Nachfolgerin und dem Verband mit auf den Weg?
Stoll: Lara Winzeler (Puuremeitli) weiss was es braucht, damit unsere Leser/innen tagtäglich zu Essen haben, da bedarf es keiner Ratschläge und dem Verband wünsche ich viel Kraft bei allen anstehenden Geschäften.
Wenn Sie der Schaffhauser Landwirtschaft eine Botschaft hinterlassen könnten – welche wäre das?
Stoll: Liebe Bauernfamilien, tausend Dank für Euren Einsatz, die ausgezeichneten Lebensmittel, den sorgsamen Umgang mit unserem Boden und Euer Gschpüri für Mensch, Tier und Natur. In diesem Sinne: «Gut gibt’s die Schaffhauser Bauern». Es war mir eine Ehre für Euch im Einsatz zu sein.
Was werden Sie in Ihrem neuen Alltag am meisten vermissen, und worauf freuen Sie sich besonders?
Stoll: Vermissen werde ich nichts. Ich freue mich aber auf etwas mehr Zeit für mein äusserst vielseitiges Amt als Gemeindepräsidentin. Zudem kann ich meinen grossen Leidenschaften wie Schreiben, Kulturförderung und vieles mehr, endlich mehr Platz einräumen.