Erfolgreiche Rehkitzrettung
Bald herrscht wieder Hochsaison für die Drohnenpiloten der Rehkitzrettung Schweiz. Bald sind die Wiesen bereit zum Mähen. Um einen Unfall mit einem Rehkitz zu umgehen, werden vor dem Mähen die Felder mit Hilfe von Drohnen abgesucht.
Der Landwirt Karlheinz Neukom führt mit seiner Frau Regula und den vier Söhnen den Milchwirtschaftsbetrieb «Alphof» in Schleitheim. Für das Futter seiner fast 50 Milchkühe sorgt er gerne selbst, weshalb er bei Saisonbeginn seine Wiesen mäht und zu SilageFutter weiterverarbeitet. Sein Bauernhof sowie viele seiner Felder liegen an Waldrandgebiet und werden stark von Wild wie Rehen frequentiert. Sieben seiner Wiesenfelder liess er am vergangenen Mittwoch deshalb durch Drohnenpiloten nach Rehkitzen absuchen. Rehe sind sehr scheue Tiere und ergreifen beim geringsten Anflug von Gefahr die Flucht. Dies gilt nicht bei ihren frischgeborenen Rehkitzen. Diese werden mit einem sogenannten Drückinstinkt geboren. Was bedeutet, dass sie sich bei Gefahr flach auf den Boden pressen und sich nicht mehr bewegen. Diesen Instinkt haben die Kitze nur etwa zwei bis drei Wochen lang nach der Geburt. Die sogenannte Setzzeit (Zeitraum der Rehgeburten) überschneidet sich mit der Mähsaison der Wiesen von Mai bis Juli. Je nach Witterung kann sich die Setzzeit nach hinten verschieben oder sogar von der Rehgeiss (weibliches Reh) unterbrochen werden.
Viele Bauernfamilien und die lokale Jägerschaft betreiben einen grossen Aufwand, um die Rehkitze zu schützen. Nicht nur der Schutz der Wildtiere steht im Vordergrund. Milchkühe und andere Grasfresser werden dadurch ebenfalls geschützt. Denn verunreinigte Silage kann lebensbedrohliche toxische Stoffe wie Botulinumtoxin bilden. Wenn Weidetiere solche Silage fressen, kann dies innert Kürze zum Tod führen. Drohnenpiloten sind gesucht Nicht ganz einfach gestaltete sich die Suche nach einem Drohnenpilot für Landwirt Neukom. Nach der langen Regenperiode der letzten Wochen wollten viele Bauern beim ersten schönen Wetter gerne mit mähen beginnen. «Der nächste Regen ist bereits wieder angesagt, weshalb viele Landwirte die kurze Schönwetterzeitspanne nutzen wollen», erklärt Neukom.
Am Mittwoch kam ein Team von Rehkitzrettung Schweiz zum Einsatz bei Neukoms. Die Suche begann bereits um 4.30 Uhr morgens. Dies war nicht der erste Einsatz des Rettungsteams und auch nicht ihr letzter an diesem Tag. Das Suchteam kam zu zweit mit einer speziellen Suchdrohne, welche über eine Wärmebildkamera verfügt. Der Einsatz muss frühmorgens stattfinden, denn so lange die Wiesen nass und ohne Sonneneinstrahlung sind, kann die Wärmebildkamera die Abstrahlung der wärmeren Tiere darin sichtbar machen. Sobald die ersten Sonnenstrahlen über die Felder scheinen, steigt die Bodentemperatur, und die Jungtiere sind nicht mehr von nassen Pflanzen zu unterscheiden. «Wir haben einmal wegen eines Notfalls einen Einsatz tagsüber geflogen. Jede grössere Pflanze und sämtliche Steine waren auf dem Display ersichtlich, und wir konnten dadurch die Rehkitze nur sehr erschwert auffinden», sagte Nico Ninov, Drohnenpilot.
Jäger bei der Rettung vor Ort
Bei der Rehkitzsuche auf dem Alphof war ebenfalls der Jagdaufseher vor Ort. Denn die gefundenen Tiere sollten nach der Lokalisierung entweder aus der Wiese wegtransportiert werden oder mit einem Harass bedeckt und die Stelle gut sichtbar markiert werden. Der Transport wurde durch den Jäger überwacht, denn die Jungtiere dürfen nur mit Handschuhen berührt werden. Dies damit ihre Mütter keinen Menschengeruch an ihnen wahrnehmen und sie sie später wieder als die eigenen akzeptieren. Der Jäger zeigte auch auf, wo ein guter Platz für die Zwischenlagerung der gefundenen Tiere war. Eine Rehgeiss findet ihr Junges auch viele Meter entfernt unter anderem durch Rufe. Nicht selten kommt es vor, dass nach einem Verlust eines Rehkitzes die Geiss noch tagelang zum Unfallort zurückkehrt und es dort sucht.
Verschiedene Methoden
Neukom lässt seine Felder seit zwei Jahren durch eine Drohne absuchen. Davor arbeitete er mit anderen, aufwendigeren Methoden. So steckte er rund um die Wiesen Pfähle in den Boden und befestigte Säcke an diese. Dieses Prozedere dauerte bei sieben Feldern, welche total fast zwölf Hektaren ausmachten, einige Stunden. Einen viel geringeren Aufwand hat der Bauer mit der Drohnensuche. Er muss die vorgesehenen Parzellen auf einem Zonenplan markieren und nummerieren. Diese Daten leitet er an den Drohnenpilot weiter, welcher die Daten auf die Drohne einspeist. Bei der Suche muss nicht nur der Jagdpächter anwesend sein. Im Alphof waren zwei Teams à je zwei Personen vor Ort. Sobald der Pilot ein Kitz auf dem Bildschirm lokalisierte, ging eines der Teams mit einem Harass und Funkgeräten in die Wiese und barg es. Das kleine, manchmal nur zwei Hand grosse Reh im hohen Gras zu finden, war gar nicht so einfach. «Wir hatten schon Fälle, da standen die Retter unmittelbar vor dem Rehkitz und konnten es nicht sehen. Sie sind wirklich klein, und im hohen Gras sind sie schwierig zu finden, selbst wenn man weiss, wo man suchen muss», sagt Ninov.
Erfolgreiche Suche
Die Suche bei Neukoms war erfolgreich. Zwei noch ganz frisch geborene Jungtiere konnten aus den Feldern geholt werden, und drei bereits grössere rannten von selbst aus den abgesuchten Wiesen. Damit die Rehkitze, welche das Weite von alleine suchten, nicht nach ihrer Rückkehr doch noch verletzt wurden, mähte der Landwirt die Wiesen von innen nach aussen. Bei diesem Vorgang können Tiere, die sich in der Wiese bef inden, fliehen. Die Familie Neukom hat zusätzlich Fahnen an die Felder mit den Funden gehängt. Wenn die Rehgeissen diese sehen, holen sie ihre Kitze häufig aus der Gefahrenzone. Rund zwei Stunden dauerte die erfolgreiche Drohnensuche.